Die Weinbranche steht vor einem spannenden Umbruch, sagt Sommelière Natalie Lumpp.
(Foto: Pexels/ Cottonbro Studio)

Wein-Trends 2024 : Kabi, deutsche Rotweine und ein mutiger Wandel

Alkoholfreie Weine setzen ihren Siegeszug fort, während sich Piwis und Zukunftsweine weiter etablieren. Deutscher Rotwein feiert ein Comeback und die Weinbranche zeigt sich immer mutiger. Sommelière Natalie Lumpp gibt Einblicke in die aktuellen Wein-Trends in der 2. Genuss-Story mit ihr.

Welche Trends prägen derzeit die Weinwelt? Was bleibt, was ändert sich? Alkoholfreie Weine stießen anfangs, ähnlich wie alkoholfreies Bier, auf geschmackliche Skepsis. Doch dank moderner Vakuumverdampfungsverfahren haben sie eine Qualitätsrevolution erlebt, erklärt Sommelière Natalie Lumpp aus Baden-Baden. Dies betrifft vor allem die trockenen Weine.

Neue Trinkkultur: Alkoholfreie Weine & innovative Weinkreationen  

Entalkoholisierte Weine, die die Säure und Mineralität zum Beispiel eines typischen Rheingauer Rieslings bewahren, gewinnen weiter an Bedeutung. „Sie werden facettenreicher wahrgenommen und sind im Gegensaft zum Traubensaft trocken ausgebaut. Mit ihrer aufwändigen Herstellung liegen die Preise oft um die 10 Euro“, erklärt die Weinexpertin.

Sie beobachtet eine wachsende Popularität in der gehobenen Gastronomie, wo kreativ mit diesen Weinen experimentiert wird. Vor allem jüngere Weingenießer, die weniger Alkohol trinken, sind offen für innovative Wein-Drinks und Kombinationen wie Rotwein-Schokolade. „Das habe ich im Winter für eine Fernsehsendung kreiert: Rotwein erwärmen, Schokolade auflösen und dann Schlagsahne drauf. So genial. Heute ist man da viel mutiger was neue Geschmackserlebnisse angeht“, freut sich Lumpp.

Der Trend zu innovativen Getränken zeigt sich auch in der modernen Variante der weißen Sangria: Anders als früher mit Schnaps und eingelegten Früchten wird sie jetzt mit frischen Früchten und weniger Alkohol durch Mineralwasser oder Tonic verfeinert. Dies spiegelt einen deutlichen Wandel der Trinkgewohnheiten wider.

Neue Wegbereiter: Zukunftsweine und Piwis

Die Piwis, pilzresistente Rebsorten, und Zukunftsweise sind derzeit ein heiß diskutiertes Thema. Immer mehr Winzerinnen und Winzer setzen auf umweltschonende Anbaumethoden. Piwis bieten dafür eine Lösung. Die Reben müssen in der Regel nur noch zwei bis dreimal – also sehr wenig – oder im Idealfall gar nicht mehr gespritzt werden. Gerade in schwer zu bearbeitenden Lagen sind die pilzwiderstandsfähigen Reben von großem Vorteil!

Allerdings, so Lumpp, sei die Umstellung nicht ganz so einfach: Weinbau ist ein Generationenprojekt, und Rebstöcke lassen sich nicht einfach ersetzen – normalerweise möchte man sie mindestens 30 oder 40 Jahre erhalten.

Die Renaissance deutscher Rotweine

Deutschen Rotweinen steht in den nächsten Jahren eine internationale Blütezeit bevor, denn der Klimawandel hat ihre Qualität deutlich verbessert.

Heute zeichnen sich viele deutsche Rotweine durch einen moderaten Alkoholgehalt von 13 bis 13,5 Volumenprozent aus. Besonders gefragt sind derzeit schlanke, elegante Burgunderweine, vor allem Spätburgunder.

Diese Weine erfreuen sich bei Kennern großer Beliebtheit, fernab der Suche nach übermäßig alkoholreichen „Monsterweinen“. Lumpp sagt: „Ihre Beliebtheit steigt, und es ist zu erwarten, dass die Preise ebenfalls anziehen. Es lohnt sich, jetzt in hochwertige deutsche Rotweine zu investieren, da sie im Laufe der Zeit mit zunehmendem Alter an Qualität gewinnen.“

Generell gewinnt die Qualität deutscher Weine weiter an Bedeutung und wird auch in den kommenden Jahren gefragt bleiben. Das gilt auch für hochwertige Schaumweine wie Sekt, die stark im Trend liegen.

Sommergenuss Kabi: Der neue Trend zur Leichtigkeit

Ein weiterer sehr schöner Trend ist laut Natalie Lumpp der Kabinettwein, von Liebhabern oft „Kabi“ genannt. „Früher war das immer ein sehr leichter Wein mit etwas Restsüße und einem Alkoholgehalt von etwa 7,5 Volumenprozent an der Mosel und etwa 10,5 Volumenprozent in der Pfalz“, so Lumpp.

Diese Restsüße sorge nicht nur für einen geringeren Alkoholgehalt, sondern harmoniere auch hervorragend mit dem charakteristischen Säureprofil des Rieslings, was diesen Weinen besonders gut zu Gesicht stehe: „Er schmeckt wie eine Zitronenlimonade – bitte positiv zu verstehen! Die Leichtigkeit dieser Weine, gepaart mit intensiven Aromen und einer erfrischenden Säure macht sie besonders im Sommer zu einem idealen Genuss. Ich bin mir sicher, dass das in zwei, drei Jahren ein richtiger Hype wird.“  

Weinbranche: Zukunftsfähig durch Neuausrichtung

Die Weinkultur steht vor dem spannenden Übergang, sich neuen Zeiten und Zielgruppen anzupassen. Ein innovativer Ansatz ist die Rücknahme und Mehrfachnutzung von Weinflaschen. Im Vergleich: eine Sprudelflasche wird die bis zu 50-mal wiederverwendet. Dieser Ansatz bietet eine nachhaltige Möglichkeit zur Reduzierung von Abfall und könnte auch in der Weinbranche Einzug halten.

In Deutschland habe lange Zeit der Trend zur Billigkultur geherrscht, kritisiert Natalie Lumpp, mit Weinpreisen von durchschnittlich 2,50 Euro pro Liter. Heute müssten die Weinpreise natürlich angepasst werden. Sogar über einen Mindestpreises für eine Flasche Wein wird diskutiert.

„Die Weinwelt muss sich im Marketing viel dynamischer und moderner aufstellen. Nur so können breitere Zielgruppen, auch jüngere Generationen, erreicht werden“, so Lumpp.

Trotz der Herausforderungen zeigt sich die Branche auch innovationsfreudig: Während sich einige Winzer noch anpassen, treiben andere den Wandel voran und setzen auf Qualität. Seit kurzem müssen die Nährwerte auf den Weinflaschen angegeben werden, und QR-Codes werden eine zeitgemäße Lösung für detaillierte Informationen sein.

Deutsche Rieslinge, die spannendsten Weine der Welt

Das wachsende Umweltbewusstsein der Verbraucher, die sich intensiv mit Klimafragen und dem eigenen CO2-Fußabdruck auseinandersetzen, hat auch die Weinkultur erreicht. Ein klarer Trend zeichnet sich bei der Vorliebe für lokale Weine gegenüber internationalen Produkten ab.

„Die deutschen Weine sind besser denn je und weltweit anerkannt. Letztes Jahr hat der Weinjournalist David Williams im The Guardian die deutschen Rieslinge als die spannendsten Weine der Welt bezeichnet. Das ist doch großartig! Alles in allem sind wir auf einem vielversprechenden Weg.“

Lesen Sie in Teil 1, wie Natalie Lumpp ihre Liebe zum Wein entdeckt hat!

Weder für diesen Artikel noch für die Links wurde ich bezahlt.

Dieses Interview habe ich bereits vor einiger Zeit geführt. Es kann also sein, dass Ihnen einige Themen aus meinem letzten Blog-Beitrag mit dem Messebericht bekannt vorkommen. Aber das zeigt ja nur, wie sehr Piwis, die Zukunftsweine und alkoholfreie Weine im Trend liegen. Danke, dass Sie mich auf dieser spannenden Reise durch die Welt des Weins begleiten!

Genuss-Story mit Natalie Lumpp, Weinsommelière aus Baden-Baden.

Natalie Lumpp ist Sommelière, Weinberaterin und Weinautorin aus Baden-Baden. Ursprünglich kommt sie aus Freiburg.

Wegweisend für ihre Karriere waren ihre Anfänge in renommierten Häusern im Schwarzwald wie der „Traube Tonbach“ und dem Hotel „Bareiss“. Von 1992 bis 1998 arbeitete sie als Sommelière im Restaurant „Bareiss“ und stieg dort zur Chef-Sommelière auf. Von 1998 bis 2000 leitete sie das Restaurant „Imperial“ im Schlosshotel Bühlerhöhe in Bühl.

Im Jahr 2000 gründete sie Wein erleben!, ein Unternehmen für Weinseminare und Weinreisen. Darüber hinaus ist sie als Weinberaterin und Autorin für verschiedene Wein- und Gourmetzeitschriften tätig, darunter Vinum, Sommelier-Magazin, Der Feinschmecker, essen & trinken, Elle Bistro und Wein Gourmet. Außerdem war Natalie Lumpp Jurymitglied bei „Grill den Henssler“ und ist regelmäßig im „ARD Buffet“ und „Kaffee oder Tee“ im SWR zu Gast.

www.natalie-lumpp.de

(Foto: Natalie Lumpp)

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Johanna Wies

Journalistin Texterin

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