1. Genuss-Story mit Sommelière Natalie Lumpp:
„Ich möchte das Gesicht vom Wein zeigen“
Natalie Lumpp, eine der ersten Sommelièren Deutschlands, hat fast alle Weinbaugebiete der Welt bereist. Sie vermittelt den Geschmack des Weins, seine Kultur und Geschichte. Wie entdeckte sie ihre Leidenschaft? Und wie begann ihre Weinkarriere? Das erfahren Sie in der ersten Genuss-Story.
Ein Glas Wein zum Essen, das war bei ihren Eltern schon immer üblich. Da wollte Natalie Lumpp als Teenager auch mal probieren, nippen, riechen. Und durfte. Nicht der Alkohol war ihr wichtig – es ging ihr darum, den Wein zu testen, zu verstehen, zu erleben. So entflammte schon früh ihre Leidenschaft für die Welt des Weins. Schnell erkannte sie, dass Weine jedes Jahr anders schmecken. „Das hat mich fasziniert, zu wissen: Wenn ich 60 bin, dann schmecken die Weine immer noch jedes Jahr anders und neu“, erinnert sich Lumpp.
Mit einem roten Burgunder fing alles an
Richtig angefangen hat ihre Liebe zum Wein mit einem roten Burgunder, einem Gevrey-Chambertin: „Der hat mich total umgehauen. Da wusste ich: Wein ist absolut mein Ding.“ Mit 18 Jahren reiste Natalie Lumpp ins Burgund, obwohl das Budget knapp war. Ihre Verpflegung hatte sie oft in einer Kühlbox dabei: Äpfel, Milch, Müsli.
Auf Weingütern fragte sie, ob sie die Weine probieren dürfe. Die Winzer staunten nicht schlecht, aber spürten, dass sie es ernst meinte. Es waren unvergessliche Erlebnisse. Von jedem Weingut kaufte Lumpp eine Flasche Wein. „Mein ganzes erstes Geld habe ich in Wein investiert“.
29 ältere Männer, eine junge Frau
Dann wollte sie Winzerin werden. Aber das war in den 90er Jahren für eine Frau nicht üblich. In ihrer Heimatstadt Freiburg gab es nur Genossenschaften, und Winzerinnen gab es dort nicht. Als Alternative entschied sie sich für eine Ausbildung zur Hotelfachfrau.
Im Jahr 1992 gewann Lumpp im Alter von 21 Jahren ihren ersten Wettbewerb, den Badischen Weinwettbewerb in Freiburg. Damals gab es in der gesamten Weinbranche nur zwei Sommelièren, und diese Männerdomäne spiegelte sich auch im Wettbewerb wider. 29 ältere Herren im Anzug mit Aktenkoffern, und sie, die einzige Frau. Die Aufgabe: In nur zwei Tagen galt es, 100 Weine blind zu verkosten und dabei Rebsorte, Jahrgang und Restsüße zu bestimmen. Natalie Lumpp belegte den dritten Platz und sorgte für eine Sensation.
Im Jahr darauf belegte sie den ersten Platz und 1997 wurde sie mit der „Trophée Ruinart“ als beste Sommelière Deutschlands ausgezeichnet. Lumpp gehörte zu den Pionierinnen, die Frauen den Weg in die Branche ebneten. „Heute haben wir 40 Prozent Frauen in der Weinbranche, es hat sich also viel verändert“, reflektiert Lumpp.
Jede Weinregion ist auf ihre Weise schön
Um den Wein noch besser zu verstehen, liebt es Lumpp, auf Reisen zu gehen. Seit ihrer allerersten Reise ins Burgund hat sie eine ganz besondere Beziehung zu Frankreich. Auch Spanien hat es ihr angetan. Überhaupt schätzt sie die Schönheit jeder Weinregion auf ihre eigene Art.
Nach Chile und Argentinien hat es sie schon mehrmals gezogen, wobei sie der letzte Besuch in Argentinien besonders beeindruckt hat: Dort besuchte Lumpp die Bodega Colomé, das älteste Weingut Argentiniens und das höchstgelegene der Welt mit dem höchsten Weinberg auf 3.111 Metern über dem Meeresspiegel.
Die Zeit hat nicht nur gezeigt, dass jeder Jahrgang einzigartig ist, sondern auch, dass sich die Weinregionen sehr unterschiedlich entwickeln. Anfang der 90er Jahre war Neuseeland als Weinland neu, später wurde das Douro-Tal in Portugal gehypt, wo es plötzlich neben Portweinen auch andere beeindruckende Weine gab. Ein weiteres Beispiel ist China, das als drittgrößtes Weinbauland der Welt oft übersehen wird.
Die Weinwelt ist immer in Bewegung
In der Welt des Weins gibt es immer neue Entwicklungen und Erkenntnisse, sodass man nie behaupten kann, alles über Wein zu wissen. Auf ihren Reisen lernt die Lumpp nicht nur Wein, sondern auch Kultur und Menschen kennen. „Wenn ich zum Beispiel in Südafrika bin, will ich wissen: Wie leben die Menschen dort? Was essen sie? Was muss man dort unbedingt gesehen haben? Das will ich dann in den Verkostungen vermitteln.“
Inzwischen hat die Weinexpertin fast alle Weinbaugebiete bereist. Nur in Israel – hier machte ihr die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung – und Rumänien war sie noch nicht. Diese beiden Länder stehen als nächste Ziele auf ihrer Erkundungsliste.
Lumpp ist überzeugt, dass Wein mehr ist als nur ein Getränk: „Ich glaube, wenn du jemandem etwas über das Land, die Leute, die Kultur erzählst, dann bekommt der Wein ein Gesicht. Wenn du seine Geschichte kennst, dann ist der Wein so etwas wie ein Partner. Das möchte ich den Leuten zeigen.“
Lesen Sie in Teil 2, was Natalie Lumpp über die aktuellen und kommenden Wein-Trends sagt!
Weder für diesen Artikel noch für die Links wurde ich bezahlt.
Natalie Lumpp ist Sommelière, Weinberaterin und Weinautorin aus Baden-Baden. Ursprünglich kommt sie aus Freiburg.
Wegweisend für ihre Karriere waren ihre Anfänge in renommierten Häusern im Schwarzwald wie der „Traube Tonbach“ und dem Hotel „Bareiss“. Von 1992 bis 1998 arbeitete sie als Sommelière im Restaurant „Bareiss“ und stieg dort zur Chef-Sommelière auf. Von 1998 bis 2000 leitete sie das Restaurant „Imperial“ im Schlosshotel Bühlerhöhe in Bühl.
Im Jahr 2000 gründete sie „Wein erleben!“, ein Unternehmen für Weinseminare und Weinreisen. Darüber hinaus ist sie als Weinberaterin und Autorin für verschiedene Wein- und Gourmetzeitschriften tätig, darunter Vinum, Sommelier-Magazin, Der Feinschmecker, essen & trinken, Elle Bistro und Wein Gourmet. Außerdem war Natalie Lumpp Jurymitglied bei „Grill den Henssler“ und ist regelmäßig im „ARD Buffet“ und „Kaffee oder Tee“ im SWR zu Gast.
Bild: Die erste Genuss-Story mit Natalie Lumpp, Weinsommelière aus Baden-Baden. (Foto: Natalie Lumpp)
Johanna Wies
Journalistin • Texterin
Am Rüppurrer Schloß 5
76199 Karlsruhe