Ein Gläschen Zukunft bitte: Das war meine ProWein 2024
Mein Rückblick auf die ProWein 2024: Zwischen Piwis und dem ersten KI-Cocktail habe ich auch histaminarme Weine entdeckt. Was mir jedoch am meisten in Erinnerung bleibt, sind die zahlreichen herzlichen und inspirierenden Begegnungen. Denn das wahre Herz der Messe? Das Networking und gemeinsame Entdecken neuer Weingenüsse.
Trotz Bahnstreik und Reisechaos am letzten Tag feierte die ProWein in der Messe Düsseldorf ihr 30-jähriges Jubiläum mit 47.000 Besucherinnen und Besuchern aus 135 Ländern und 5.400 Ausstellern. Zentrales Thema in diesem Jahr: Nachhaltigkeit, mit zahlreichen Beispielen für umweltfreundlichen Weinbau, ökologische Verpackungen und Verbänden wie Bioland, Demeter und Ecovin.
Berichte mit Kritik an der Messe und über ihre wachsende Konkurrenz gibt es genug. Ich möchte lieber von meinen persönlichen Highlights und Erkenntnissen erzählen. Klar, der Einlass hätte smoother sein können und die Messe-App? Na ja, da ist noch Luft nach oben – besonders beim Speichern der Events im Kalender, das hat leider überhaupt nicht geklappt. Aber jetzt zu drei großartigen Tagen!
Piwis & Zukunftsweine – für die nächsten Generationen
„Grapes for the Future“ – unter diesem Motto präsentierte das Deutsche Weininstitut (DWI) die Zukunft des Weins mit 16 neuen Piwi-Weißwein- und vier Rotweinsorten. Der 2022 Souvignier Gris trocken vom Weingut Abthof wurde von der Fachjury auf den ersten Platz gewählt.
Pressesprecher Ernst Büscher betonte, dass die Weinbranche vor spannenden Entwicklungen stehe, vor allem im Bereich der immer besser werdenden Naturweine und der widerstandsfähigen Rebsorten. Deren Zunahme ist enorm: Büscher erfuhr auf der Messe, dass im vergangenen Jahr in Deutschland 28 Prozent der neu angepflanzten Weinberge mit Piwis bestückt wurden, im Vergleich zu 10 Prozent im Vorjahr. Diese Entwicklungen eröffnen spannende Perspektiven für die Weinwelt, auch wenn einige Sorten noch auf dem Weg zur Anerkennung seien.
„Die junge Generation mit ihrem großen Engagement für Nachhaltigkeit wird den Markt immer stärker bestimmen“, sagte Ernst Büscher. Er ist sich sicher, dass diese Altersgruppe besonders offen für neue, robuste Rebsorten ist. Doch im Kern zähle die Qualität: „Entscheidend ist, dass der Wein überzeugt und die Kundinnen und Kunden zufrieden sind.“
Die Zukunftsweine Bewegung setzt sich für mehr Akzeptanz und ein stärkeres Bewusstsein für Nachhaltigkeit im Weinbau ein. Über 60 Weingüter aus Europa haben sich dieser Mission bereits angeschlossen und bekennen sich zu Zukunftsweine. Ein neustes Mitglied sind die Lauffener Weingärtner aus Württemberg mit ihrem Souvignier Gris.
Auf der ProWein stieß das Team auf viel positives Echo und ist sehr begeistert: „Wir haben unseren Platz auf der großen Bühne der Weinwelt gefunden und tragen mit unseren Zukunftsreben aktiv zu einer nachhaltigeren Zukunft bei.“
7 Gründe für neue Rebsorten
– für die Natur und fürs Glas:
- Umweltschonend: bis zu 80 % weniger Pflanzenschutzmittel.
- Klimafreundlich: Mehr Ruhe und sinkende CO₂-Emissionen durch weniger Traktorfahrten.
- Bodenqualität: Der Boden bleibt locker und lebendig.
- Mehr Biodiversität: Mit weniger Chemie wird der Weinberg zum Lebensraum.
- Widerstandsfähig gegen den Klimawandel: Die neuen Weine sind wahre Anpassungskünstler.
- Neue Aromen im Glas: Von locker-leicht bis zu intensiv und komplex.
- Entlastung der Winzerinnen und Winzer: Weniger Kosten, mehr Zeit für das Wesentliche.
Quellen: Deutsches Weininstitut; Zukunftsweine
Ein Blick in die Südtirol Wein Agenda 2030
Am Stand des Konsortiums Südtirol Wein, das mit 43 Südtiroler Weinproduzenten angereist war, erhielt ich einen spannenden Einblick in die Ziele und Maßnahmen der Südtirol Wein Agenda 2030. Präsident Andreas Kofler und Direktor Eduard Bernhart zeigten mir einige echte Vorreiterbetriebe, die mit gutem Beispiel vorangehen.
Michael Graf Goëss-Enzenberg gilt mit seinem Weingut Manincor als Aushängeschild für Nachhaltigkeit in Südtirol. Auf seinem 400 Jahre alten Weingut widmet er sich seit 2005 dem biodynamischen Weinbau, mit natürlichen Methoden wie Mist und Kräutertees beruhigt und stärkt er die Pflanzengesundheit. Die Trauben werden von Hand gelesen und über Nacht gekühlt, um sie frisch zu halten. Ohne Hefezusatz gedeihen die Weine natürlich und reifen schonend in großen Holzfässern. 463 Hektar Obst, Wein, Wald und Wiesen bilden eine nach den EU-Bio-Richtlinien sowie nach Demeter biodynamisch zertifizierte Einheit.
Ein weiterer Pionier in Biodynamie und Nachhaltigkeit: Clemens Lageder vom Weingut Alois Lageder. Seit der Jahrtausendwende hat das Weingut einen beachtlichen Wandel hin zu nachhaltiger Bewirtschaftung vollzogen und alle Traubenlieferanten auf Bio umgestellt.
Darüber hinaus hat Clemens Lageder das Vergütungssystem für Trauben revolutioniert, indem er den Fokus auf Nachhaltigkeit legt: Statt wie üblich nach Gewicht und Zuckergehalt zu bezahlen, belohnt er jetzt nachhaltige Anbaumethoden, Weiterbildungen in Nachhaltigkeit und Initiativen zur Biodiversitätsförderung, wie das Anlegen von Hecken und Nistkästen.
Das Weingut gehört zur Kellereigenossenschaft Bozen. 2015 gestaltete die Kellerei ihren Keller modern und energieeffizient im Berg. Matthias Messner, der Geschäftsführer der Kellerei Bozen, berichtete mir stolz, dass sie 2019 als erste Genossenschaft in Südtirol mit dem KlimaHaus Wine Zertifikat ausgezeichnet wurden. Zudem wurde vor Kurzem eine Photovoltaikanlage installiert.
Histamin im Blick!
Seit 100 Jahren liegt der Weinerlebnis Gustavshof eingebettet in die rheinhessische Hügellandschaft in Gau-Heppenheim. Seit 20 Jahren ist das Weingut biozertifiziert, seit 10 Jahren betreibt die Familie Roll mit ihrem Team biodynamischen Weinbau.
Am Stand habe ich dank Betriebsleiterin Friederike Roll eine Besonderheit entdeckt, die es bislang noch selten gibt: histamingeprüfte Weine, gekennzeichnet mit dem Siegel „Histcheck“.
Ein ausgewähltes Weinsortiment vom Gustavshof wurde auf Histamin getestet und liegt unter der Nachweisgrenze von 0,25 mg/l. In Zeiten, in denen das Bewusstsein für Lebensmittelunverträglichkeiten zunimmt, gewinnt das Wissen um den Histamingehalt von Wein immer mehr an Bedeutung.
Von KI inspiriert, durch Handwerk geschaffen
Wie fast überall stand auch auf der ProWein 2024 die Künstliche Intelligenz (KI) im Rampenlicht – ein Trend, der sich in Vorträgen und innovativen Produkten widerspiegelte. Besonders neugierig machte mich die Einladung von Katlenburger, den ersten KI-generierten Ready-to-Drink Cocktail Europas kennenzulernen.
Also präsentierten mir Katlenburgers Geschäftsführerin Alexandra Demuth und Produktmanager Sebastian Wulf den NanoFizz. Die Kreation begann mit einem Brainstorming Anfang des Jahres, bei dem sich KI schnell als Schlüsselthema herauskristallisierte. Die Frage war nun: Wie funktioniert KI denn eigentlich? Dank der Expertise eines neuen IT-Mitarbeiters entwickelte das Team gemeinsam einen ersten Rezeptur-Prompt (Befehl), der sich an frischen Geschmacksrichtungen und aktuellen Trends orientierte.
Von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt vergingen nur drei Monate. Die Resonanz war durchweg positiv, der NanoFizz kam bei den Messebesuchern geschmacklich sehr gut an – auch bei mir. Er überzeugt mit fruchtigen Zitrusaromen, einer leichten Bitternote und 7 % vol. Alkohol nicht nur geschmacklich, sondern auch in einer schicken, puristischen 0,33l Glasflasche. Abgerundet wird das Design durch ein passendes Smartglass mit NFC-Technologie ergänzt, das über das Smartphone in Echtzeit mit dem Nutzer interagiert – das Glas hat mich sogar mit meinem Namen begrüßt. 😄
Beim Trend-Casting der Messe wurde der NanoFizz als eines von 15 Trendprodukten ausgewählt. „Wir scheinen den KI-Trend getroffen zu haben“, sagt Demuth und betont, dass die KI zwar schon erstaunlich viel kann, die damit erzeugten Ergebnisse aber noch lange nicht ihren Ansprüchen genügen: „Um ein Getränk zu einem einzigartigen, hochwertigen Genusserlebnis zu machen, braucht es nach wie vor das Know-how, die Leidenschaft und die Erfahrung unserer Fruchtweinmacher:innen. KI kann in Zukunft aber sicherlich Impulse geben und in der kreativen Entwicklungsphase eine gute Unterstützung sein.“
Auch die Adega Belém Urban Winery aus dem Herzen Lissabons hat ein wenig auf künstliche Intelligenz zurückgegriffen: Catarina Moreira und David Picard haben für ihren Pétillant Naturel „Frau Cláudia“ das Etikett mit der Unterstützung von KI entworfen – einen rosa Elefanten. Ihr „Frau Cláudia 2023“ entstammt den Moscatel Graúdo Trauben von der Halbinsel Setúbal und wird nach der traditionellen Ahnenmethode hergestellt. Dabei gärt der Wein so lange, bis nahezu aller Zucker fermentiert ist, bevor er zur Vollendung der Gärung in die Flasche kommt. Eingeschlossen entweicht das Kohlendioxid nicht, was dem Wein einen Glanz verleiht – naturtrüb und ungefiltert. Eine besonders persönliche Note verleihen dem Likörwein Dop Carcavelos, aus der kleinsten Likörweinregion Portugals, die Fingerabdrücke von Catarinas und Davids Kindern auf dem Etikett.
Nüchtern betrachtet: Alkoholfrei und Proxies
Alkoholfreie Weine sind auf dem Vormarsch, was sich auch auf der ProWein widerspiegelte, wo ihnen in der Tasting Zone eine Bühne geboten wurde. Mathilde Boulachin, Gründerin und CEO von Pierre Chavin und Pionierin der alkoholfreien Weine in Frankreich, feierte die Premiere ihres Cabernet Merlot Chavin Zéro mit fruchtigen Noten von Brombeeren, schwarzen Kirschen, Pflaumen und schwarzen Johannisbeeren.
Neben den entalkoholisierten Weinen rücken auch die Proxies – ich habe auf der Messe zum ersten Mal den Namen „Not-Weine“ gehört – immer mehr ins Rampenlicht. Das sind kreative alkoholfreie Alternativen, die aus einer Mischung von Früchten und Kräutern entstehen. So kreiert die Mannufaktur Jörg Geiger seit 2003 alkoholfreie Getränke aus über 200 Gewürzen, 70 Kräutern und 20 Blüten sowie alten Obstsorten.
Networking Deluxe: Spontane Begegnungen, bleibende Eindrücke
Sie alle sind für mich das Herz der Messe: die kurzen Begegnungen und die langen Gespräche, die geplanten Treffen und die spontanen Zusammenkünfte. Ob tagsüber am Stand, in den Gängen oder bei einem schönen Abend-Event auf der Messe oder in Düsseldorf – sie alle beleben alte Kontakte und knüpfen neue.
Darunter war auch Michael Else von den Weinfeder Weinpublizisten, bei denen ich Mitglied werden möchte. In zwei Gesprächen wurde ich auch an den Verein Vinissima Frauen & Wein erinnert, den ich schon länger im Auge hatte. Inzwischen habe ich an einem ersten Online-Event teilgenommen und freue mich nun sehr auf mein erstes Live-Event im Mai, zu dem Sommelière Natalie Lumpp in die Weinhandlung „Weinhelden“ von Pia von Drabich-Waechter einlädt. (Ganz besonders freue ich mich auch, Natalie als Interviewgast für meine erste Genuss-Story gewonnen zu haben: Genuss-Story mit Sommelière Natalie Lumpp – Teil 1)
Und was gab es noch?
Natürlich viele Verkostungen, wie bei der Generation Riesling, unter dem coolen Motto „Love the wine you’re with“. Die Generation Riesling ist mit rund 540 Mitgliedern aus ganz Deutschland die weltweit größte Jungwinzer-Organisation.
In der Masterclass „Alsace – die Antwort auf alle Trends!“ mit Sommelière Christina Hilker aus Stuttgart habe ich herrliche Rieslinge aus dem Elsass gekostet. Das Elsass ist eine der wenigen Weinregionen, deren Angebot Antworten auf sämtliche aufkommende Markttrends bietet.
Weitere Trends erfuhr ich in einem Vortrag von Gabriele Heins (Chefredakteurin) und Katharina Matheis (Weinredakteurin) vom Feinschmecker Magazin. Sie erwähnten unter anderem die Renaissance des deutschen Sekts, die auch Newcomern eine Chance biete. Ja, vielleicht brauche man gar einen neuen Begriff für Winzersekt und Schaumwein. Wer eine Idee hat, soll sich bei den Feinschmecker-Damen melden!
Deutsche Weine finden eine Bühne in der neuen aufstrebenden Regionalküche, und das romanische System mit Fokus auf Herkunft und Lage gewinnt immer mehr an Bedeutung, mit dem VDP als Vorreiter.
Innovative und nachhaltige Flaschenformen wie Pfandflaschen und Bierflaschen werden immer beliebter. Das Weingut Galler setzt kreativ auf Bierflaschen für seine Piwis. Was ich auf der ProWein an innovativen und umweltschonenden Verpackungen entdeckt habe, taucht vielleicht noch an anderer Stelle auf.
Außerdem werden gerade Vulkanweine entdeckt, die durch ihre Mineralität bestechen. Oft handelt es sich dabei um autochthone, also alteingesessene Rebsorten. Beispiele sind Weine vom Kaiserstuhl, aus der Steiermark, von Lanzarote, den Azoren oder Santorin.
Das wachsende Bewusstsein für Inhaltsstoffe und Transparenz führt zu neuen Kennzeichnungspflichten und rückt den Informationswert von Weinetiketten in den Vordergrund. Social Media, allen voran Instagram, ist seit Corona für Weingüter unverzichtbar, um Marken zu stärken und Kundenbindung zu fördern.
Edelsüß und Partyfever
Zwei Weine möchte ich zum Schluss noch erwähnen. Sehr begeistert hat mich die 2023er Solaris Beerenauslese vom Weingut Rothe in Nordheim am Main, Franken. Dieser edelsüße Bio-Wein, mit einem Alkoholgehalt von 7,7 % vol zeigt den charakteristischen Geschmack der Rebsorte Solaris. Dank ihrer Pilzresistenz ist sie ideal für die kühleren Klimazonen Nordeuropas geeignet. Solaris-Weine bieten ein fruchtiges Aroma mit einer trockenen bis süßlichen Säurenote und erinnern an exotische Früchte.
Auch ziemlich angetan war ich von den Weinen „Herz über Kopf“ Rosé und Weiß vom Weingut Ambs aus Bötzingen in Baden – für mich ein Volltreffer in Sachen Name, Geschmack, Design und Beschreibung. Der Rosé, gewonnen aus Spätburgunder, besticht durch seine wunderbare Frische und intensive Aromatik. Der trockene Weißwein, aus der Rebsorte Müller-Thurgau gekeltert, begeistert in der Nase mit zarten Blütenaromen und heimischen Fruchtnoten.
Es war meine dritte ProWein, aber die erste mit legendären Standpartys: Die Swing-Band The Roaring Roosters auf der Chianti Classico Afterparty war ein echtes Sonntags-Highlight. Es folgte ein entspannter Abend – Danke, Constanze, für die schöne Zeit. Der Montagabend startete mit der Standparty der Zukunftsweine, ging über in tanzreiche Momente bei einer weiteren Standparty und fand seinen krönenden Abschluss Flying Pelican.
Zum Glück gab es kein Rückreisechaos für mich – dank eines Familienbesuchs blieb ich vom Bahnstreik bei den Fernzügen verschont. Wir sehen uns auf der ProWein 2025!
Bilder: Johanna Wies
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Johanna Wies
Journalistin • Texterin
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